Kleine Inseln, große Möglichkeiten
Die Inselstaaten im Zentralpazifik haben nicht viel Land, aber umso mehr Ozean – mit einer wertvollen Ressource.
Suche Australien auf dem Globus und drehe ihn dann im Uhrzeigersinn. Dann landest du schnell bei einer langen dünnen Linie von Inseln, die Papua Neuguinea und die Salomon-Inseln markiert.
In der endlosen blauen Fläche des Pazifiks erscheinen kaum sichtbar die kleinen Inselstaaten Nauru, Palau, Tuvalu, Kiribati.
Die tausenden Inseln und Atolle der Marshall-Inseln und Mikronesiens sind nicht einmal zu erkennen. Kein Wunder –alle zusammen nehmen eine Fläche ein, die kleiner als Hongkong ist.
Es gibt also nicht viel Land, doch diese acht Länder, die seit der Unterzeichnung eines Vertrags 1982 auch als Mitgliedsparteien des Nauru-Abkommens (Parties to the Nauru Agreement, PNA) bekannt sind, kontrollieren zusammen eine Ozeanfläche, die 40% größer ist als Europa oder die USA.
Und inmitten ihrer Hoheitsgewässer (ausschließliche Wirtschaftszonen / AWZs) lebt ein Viertel der weltweiten Thunfischbestände. Einen Teil davon macht die Hälfte der weltweiten Skipjack-Population aus. Streng genommen ist der Skipjack kein Thunfisch, sondern nur ein naher Verwandter. Er wird als nachhaltige Alternative zu Thunfisch gehandelt und größtenteils für Dosenthunfisch verwendet. Es ist also gut möglich, dass die letzte Dose Thunfisch, die du gekauft hast, ihren Ursprung in diesen Gewässern hat.
Es ist also keine große Überraschung, dass Thunfisch sehr wichtig für die Bevölkerung dieser Inselstaaten ist. Doch da die weltweite Nachfrage nach Thunfisch in den letzten Jahrzehnten immer weiter angestiegen ist, sind die Bestände aufgrund illegaler und nicht nachhaltiger Fischerei von ausländischen Schiffen unter immer größeren Druck geraten.
Der Verkauf von Fanggenehmigungen in ihren AWZs ist eine wichtige Einnahmequelle – doch sie wird versiegen, wenn es nicht mehr genügend Fisch gibt.
2010 entschieden die PNA-Länder, dass es ander Zeit ist, ihre Fischerei zu kontrollieren – und zwar nach ihren eigenen Bedingungen. Sie beschlossen, nachhaltige Fischerei in ihren Gewässern zu belohnen.
„Da draußen gibt es einen großen Wettbewerb um die Thunfisch-Fischerei. Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir die Thunfischbestände als unser Eigentum betrachten. Das ist wichtig für die folgenden Generationen, wichtig für unser Volk und wichtig für unsere wirtschaftliche Entwicklung.“
„Wir sind nicht länger kleine Inselstaaten, die Fischereirechte in ihren Gewässern vermieten. Wir erkennen, dass wir eine wichtige Rolle in der weltweiten Thunfisch-Fischerei spielen müssen. Wir können in hohem Maß profitieren, wenn wir die Bedingungen für die Fischerei in unseren Gewässern diktieren.“
Ausgangspunkt für diesen Ansatz war eine Verpflichtung für nachhaltige Fischerei. „Unsere Vorfahren haben ihre Ressourcen immer nachhaltig bewirtschaftet“, sagt Rhea. „Wenn wir nicht auf Nachhaltigkeit achten, haben wir eines Tages keine Ressourcen mehr, die wir bewirtschaften können. Ich glaube also, dass Nachhaltigkeit der Kern unseres Lebens hier ist.“
Die Thunfisch-Fischerei der PNA wurde im Jahr 2012 entsprechend des MSC Fischerei-Standards als nachhaltig zertifiziert. Damit wurde sie zum weltweit größten unabhängig zertifizierten Thunfischlieferant. „Wir haben die Zertifizierung nach beinahe zwei Jahren bekommen“, erzählt Maurice Brownhohn, der Commercial Manager der PNA. „Wir haben uns sehr gefreut, damit die Bestätigung zu erhalten, dass unsere Fischerei nachhaltig und gut bewirtschaftet wird.“
Die Fischerei-Methoden, mit denen MSC-zertifizierter Thunfisch in den Gewässern der PNA-Nationen gefangen wird, schließen den Einsatz von schwimmenden Objekten, die Thunfisch oder andere Fischarten anlocken (Fischsammler, FADs) vollständig aus.
Diese Art der Fischerei kann zerstörerisch sein, denn unter Umständen werden viele junge Thunfische werden gefangen, bevor sie sich fortpflanzen können und der Anteil an Beifang anderer Arten ist oft ebenfalls sehr hoch.
Für die Gesundheit und Produktivität unserer Ozeane ist es entscheidend, die Probleme zu bewältigen, die mit FAD-Fischerei einhergehen.
Schiffe, die im Rahmen der PNA-MSC-Zertifizierung eingesetzt werden, werfen ihre Netze um frei schwimmende Schwärme ausgewachsener Thunfische aus. Das ist eine wesentlich größere Herausforderung – die Fischer müssen ihre Beute über viele Meilen des größten Ozeans der Welt jagen, immer wieder das Radar überprüfen und den Horizont nach Vogelschwärmen absuchen, die ein sicheres Zeichen für das Vorkommen von Thunfisch sind.
Doch der Aufwand lohnt sich. Die Thunfische sind größer und von besserer Qualität, der Beifang von jungen Thunfischen, Schildkröten, Haien, Delphinen und anderen Fischarten wird deutlich reduziert.
„Wir finden einen Schwarm mithilfe des Vogelradars: Wo Vögel sind, sind auch Fische.“
Jedes Schiff, das in PNA-Gewässern nach MSC-zertifiziertem Thunfisch fischt, muss einen vom MSC ausgebildeten unabhängigen Beobachter an Bord haben. Er überprüft, dass die Vorschriften und Anforderungen des MSC-Rückverfolgbarkeits-Standards eingehalten werden.
Dazu gehören zum Beispiel festgelegte Fangquoten, die auf wissenschaftlichen Messungen beruhen, Größenvorgaben, vollständige Trennung der Fische während des Fischfangs und der Umladung sowie das Verbot insensiblen Gebieten, in der Nähe von FADs oder Walhaien zu fischen.
Ein Fernüberwachungssystem ermöglicht es den Fischereibehörden die Bewegungen der Schiffe im Auge zu behalten und Anzeichen illegaler Fischerei zu erkennen. Außerdem erlaubt es Kunden weltweit, die Herkunft ihrer Fischprodukte online lückenlos vom Meer bis ins Supermarktregal nachzuverfolgen.
„Hier auf den pazifischen Inseln schützen wir unsere Ressourcen, sodass sie uns langfristig versorgen können. Wir denken nicht nur an den schnellen Umsatz – wir denken auch an die Zukunft unserer Völker.“
Da zertifizierter Thunfisch einen erheblichen Preisaufschlag rechtfertigt, wollen die PNA-Länder natürlich, dass ein größerer Anteil des Verkaufspreises ihren Ländern und Gemeinden zugute kommt.
Für die meisten der PNA-Länder ist Thunfisch die wichtigste und nicht selten auch die einzige größere Einkommensquelle. Dennoch profitieren sie bisher kaum von den wirtschaftlichen Vorteilen des Thunfischverkaufs.
Etwa 5% der 1,1 Mio. Tonnen Thunfisch, die jedes Jahr in PNA-Gewässern gefangen werden, werden von lokalen Unternehmen verarbeitet. Um den Anwohnern der Länder neue Möglichkeiten zu eröffnen, gründeten die Führer der acht PNA-Länder im Jahr 2010 Pacifical – ihre eigenes global agierendes Marketing-Unternehmen für nachhaltigen Thunfisch.
Das Ziel von Pacifical ist es, die MSC-zertifizierte thunfischverarbeitende Industrie der PNA-Länder auszubauen und direkte Handelsbeziehungen zu Verkäufern und Endkunden aufzubauen.
„Ich persönlich wünsche mir, dass der gesamte Thunfisch, der im Pazifik gefangen wird, auch im Pazifik weiterverarbeitet wird. Vor 10 Jahren gab es in Papua-Neuguinea überhaupt keine fischverarbeitende Industrie. Inzwischen existieren drei Fischverarbeitungsanlagen mit insgesamt 7000 Beschäftigten, 90% davon sind Frauen.“
„Die Fabrik ist für die meisten Menschen hier sehr wichtig, denn hier können sie arbeiten und ihr Geld verdienen. Wenn es die Fabrik nicht gibt, haben sie kein Geld und kein Essen.“
Kunden können ihren Teil dazu beitragen, die Bemühungen der pazifischen Inselbewohner zu unterstützen, indem sie Pacifical Thunfisch mit dem blauen MSC-Siegel kaufen.
Zum Beispiel bezieht die führende australische Seafood-Marke John West Australia ihren Dosen-Skipjack inzwischen aus der PNA-Fischerei. Vom Supermarktregal kann der ganze Weg zurück zur Fischerei mithilfe des MSC-Rückverfolgbarkeits-Systems nachvollzogen werden. Da immer mehr Unternehmen diese Akkreditierung erhalten, sollte in Zukunft deutlich mehr MSC-zertifizierter Thunfisch in den Supermärkten zu finden sein.
„Es ist eine große Chance für uns und wir müssen sie nutzen. Ich hoffe der ganze Prozess wird die Art verändern, wie wir uns selbst betrachten: nicht länger als kleine Inselstaaten, sondern als große Ozeannationen.“
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